DER NEUE HARTMANNMÜLLER – Im Rahmen von „MOVE! in town! – Krefeld TANZT zeitgenössisch

UNDER THE BRIDGE

Nach(t)besprechung von Klaus Dilger

Pünktlich um 20 Uhr ging der „ganz grosse Scheinwerfer“ doch noch an und verwandelte das imposante Grau des Betons unter der Krefelder Schönwasser – Park – Brücke der Autobahn A57, nahe der „Grenze“ zu Duisburg, in eine vielschichtige und mehrstufige Landschaft aus Kiesaufschüttungen, Wellblechbegrenzungen mit dahinter liegenden Bahngleisen, gewaltigen Betonsäulen mit zahlreichen, teils hastig oder ungeübt gesprühten Graffitizeichen, vor einer der massiven Tragwerke dieser Hauptverkehrsader, die nun den Himmel über den zahlreich erschienenen Zuschauer bildet.

Grünes erinnert daran, dass hier einmal eine Bundesgartenschau ausgetragen wurde. Ein Geigerzähler (oder ist es ein Minen-Suchgerät?) schält sich, mit dazu gehörigem Bedienpersonal im hellbeigen Leinen-Seiden Anzug, getragen mit dunkel-türkis farbigem Hemd, aus den umliegenden Büschen. Nur die polierten Lederschuhe knarzen auf dem Kies. Die radioaktiven Altlasten oder Sprengkörper, so sie vorhanden sein sollten, geben keinen Laut von sich, als ein schwarzglänzender, schwedischer Edel-Combi mit dunkelgetönten Scheiben in die Szene rollt und in das Knarzen einstimmt. Ihm entsteigen zwei männliche Gestalten, die identisch gekleidet sind wie der „Minensucher“.

„HIER ENTSTEHT EIN BORDELL“, prangt es von einer der Tafeln, passend zum stets gegenwärtigen Lärm des Verkehrs (von Schiene und Strasse), da hilft auch kein „VIP“-Schild, das später hinzu kommt. Eine platte Assoziation zu einem tiefgründigen Werk, denn:

Simon Hartmann, Daniel Ernesto Müller und Felix Erdig verstehen ihr Handwerk. Jeder von ihnen verrichtet „seine“ Mission, über deren Vorhandensein es keinen Zweifel gibt, aber über deren Gestalt und Inhalt weder zu Beginn noch am Ende irgend etwas Konkretes bekannt sein wird. Sie tun dies mit Determination, Hingabe, absoluter Autonomie und ebensolcher Präzision, wodurch eine Verzahnung entsteht, die unterschwellig die Ahnung eines bösen und perfiden Spiels entstehen lässt.

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HARTMANNMÜLLER gelingt mit UNDER THE BRIDGE ein nachdenklich machender Zugriff auf einen sehr ambivalenten öffentlichen Raum mit den Mitteln ihres ungeheuer präzisen und durchdachten Spiels, das sich im Zusammenwirken und der Beherrschung innerer und äusserer Räume zur durch und durch gelungenen Choreografie entwickelt.

Die zahlreich erschienenen Zuschauer dankten es den Künstlern und den Machern von „MOVE! in town“, dem Krefelder Kulturbüro, in Person von Jürgen Sauerland-Freers und der Fabrik Heeder – Mittelzentrum Tanz des Landes Nordrhein-Westfalen, in Person von Dorothee Monderkamp, aufs Herzlichste.

Noch einmal am 8.Juli um 20 Uhr

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