• VIKTOR_Pina-Bausch©Klaus-Dilger

Wiederaufnahme VIKTOR von Pina Bausch in 2024

– Vorstellungen in Wuppertal Opernhaus vom 25. bis 27.Oktober 2024.

„Der Tod ist allgegenwärtig…“

Unsere Impressionen von VIKTOR aus der Wiederaufnahme des Pina Bausch Stückes im Februar 2017 in Wuppertal

gesehen von Klaus Dilger

Wiederaufnahme in 2024 – vom 25. bis 27.Oktober 2024.

Video-Impressionen von „VIKTOR“ – Ein Stück von Pina Bausch

In multiplen Ebenen und Facetten, funkeln vereinzelte Fragmente als Verweise auf Rom als die ewige Stadt, Stadt der Brunnen und Treppen, Stadt der Ausgrabungen, der Welt-Kirche, die ihren Namen trägt, aber auch als die Stadt der Toten, ihren Gräbern und ihren Geistern durch den abgründigen Boden des Bühnengeschehens, wie dies typisch ist für die Tanz-Collagen der Wuppertaler in dieser Schaffensperiode, Rom, Stadt der Spiele, der Verlierer und der Sieger, und nicht zuletzt das Rom, das Fellini mit seiner Filmhommage unsterblich gemacht hat.

Was immer Pina Bausch und ihren genialen szenischen Architekten Peter Pabst ursprünglich veranlasst haben mögen, die Bühne mit sechs Meter hohen, rotbraunen Erdmauern zu umgeben und sei es auch nur eine ähnlich aussehende Spielstätte auf der Gastspielreise gewesen, wie manche behaupten – nach der Nuklearkatastrophe von Tschernobyl am 26. April 1986, nur wenige Tage vor der Uraufführung von „VIKTOR“ in Wuppertal, musste sich diese Bühne anfühlen wie der Grund eines Massengrabes, aus dem die Bausch ihr Panoptikum an mehr oder minder verlorenen Seelen auferstehen oder darin versinken lässt.

Auch dreissig Jahre später hat sich daran wenig geändert, zu allgegenwärtig ist der Tod auch in dem was hier vom Leben übrig bleibt – und von der Liebe..

Die Einzigen, die dem vielleicht widersprechen dürften, sind schon tot und werden gleich zu Beginn des Stückes von einem Seelsorger, sozusagen postmortal, getraut, nachdem Julie Shanahan als armlose Schneiderpuppe ein elegantes rotes Kleid an die Bühnenrampe getrippelt hatte. Auch hier, angesichts der Katastrophe, vermuten die Zuschauer wohl eine postatomare Fashionshow die den folgenden assoziativen Erinnerungs- und Rollen-Reigen eröffnet, der sich zum fulminante Bühnenspektakel entwickelt, das immer dann rasant Fahrt aufnimmt, wenn die grossartige Christiana Morganti als Auktionarin in atemberaubendem Tempo ihre Kollegen über die Bühne jagt, die die Erinnerungsgegenstände präsentieren, die sie verramscht.

Eine dunkle Offstimme outet Breanna O’Mara als, von einem Geist namens „Viktor“ Besessene, dem das Stück offensichtlich seinen Namen verdankt. Er wird die junge, elfenhaft wirkende Frau ein ums andere Mal in einen wilden Sitztanz treiben, in dem ihre langen rotblonden Haare mit ihren endlos scheinenden Armen und ihrem beweglichen Oberkörper in einen gewaltsamen Widerstreit zu geraten scheinen.Wo Shanahan armlos trippelte , peitscht sich O’Mara beinlos mit ihren weiten und wilden Bewegungsfolgen an die Bühnenrampe.

Viktor_cMEYER_ORIGINALS

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Bausch erfindet starke Bewegungssequenzen zu alten italienischen Volksliedern. Durchchoreographierte Frauen- und Männerformationen, die Dominique Mercy als peingeplagtes, böses, altes Weib immer wieder auseinandertreibt.

Diesen setzt sie ruhige assoziative Bilder entgegen: Ditta Miranda etwa wird zu einem der zahllosen römischen Brunnen Lebensszenen, Menschen.

Charaktere und Typen

Nicht alles gelingt in dieser Produktion so genial, wie etwa wenn Dominique Mercy, der neben dem alten Weib auch noch den Filou und den Lebemann gibt, dessen diskrete Eleganz sich in angeödetes Schweigen verwandelt, wenn er minutenlang wortlos gegenüber Nazareth Panadero verharrt, bis diese das Anti-Sterntaler-Märchen aus Büchners „Woyzeck“ rezitiert. Ein erschreckend kopflastiger Einfall der Dramaturgie, der diese Szene jeder Authentizität beraubt. Dies wird auch dadurch nicht besser, wenn er im zweiten Teil noch einmal zum Schlechten gegeben wird und Mercy dann antwortet: „schaust Du ab und zu in den Spiegel?“.

Dennoch gehört „Viktor“ zu den eindrucksvollsten Arbeiten des Tanztheaters.

In Koproduktion mit Teatro Argentina, Rom – Inszenierung und Choreographie Pina Bausch – Bühne Peter Pabst – Kostüme Marion Cito – Musikalische Mitarbeit Matthias Burkert – Dramaturgie Raimund Hoghe

Dauer 3h 15min

Musik Italienische Volksmusik, Pjotr Tschaikowski, Dietrich Buxtehude, Antonin Dvořák, Aram Chatschaturjan, mittelalterliche Tanzmusik, New-Orleans-Musik, Tanzmusik der dreißiger Jahre…

Uraufführung 14. Mai 1986, Schauspielhaus Wuppertal

Gastspiele/Tourneen

1986 Rom 1987 Den Haag 1988 New York 1992 Venedig 1994 Lyon, Lissabon 1995 Tel Aviv 1996 Kopenhagen 1997 Frankfurt 1999 London, Saitama 2001 Paris 2012 London 2016 Paris

Es tanzten

Emma Barrowman, Rainer Behr, Andrey Berezin, Damiano Ottavio Bigi, Michael Carter, Çağdaş Ermis, Jonathan Fredrickson, Ditta Miranda Jasjfi, Scott Jennings, Barbara Kaufmann, Dominique Mercy, Blanca Noguerol Ramírez, Cristiana Morganti, Breanna O´Mara, Nazareth Panadero, Franko Schmidt, Julie Shanahan, Julie Anne Stanzak, Julian Stierle, Michael Strecker, Fernando Suels Mendoza, Tsai-Wei Tien, Aida Vainieri, Ophelia Young, Tsai-Chin Yu

Wiederaufnahme in 2024:

Andrey Berezin, Dean Biosca, Naomi Brito, Emily Castelli, Maria Giovanna Delle Donne, Taylor Drury, Letizia Galloni, Ditta Miranda Jasjfi, Luciény Kaabral, Nayoung Kim, Reginald Lefebvre, Nicholas Losada, Alexander López Guerra, Blanca Noguerol Ramírez, Milan Nowoitnick Kampfer, Franko Schmidt, Julie Shanahan, Julie Anne Stanzak Michael Strecker, Christopher Tandy, Tsai-Wei Tien, Aida Vainieri, Frank Willens, als Gäste: Scott Jennings, Jan Möllmer,Breanna O’Mara

Tanz Film Tanz Kritik Wuppertal

©Meyer Originals

Von |2024-10-21T18:27:24+01:0021. Oktober, 2024|

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